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Das Jahr 1946 in russischer Gefangenschaft!

Im Lager 7236/1 Tiflis musste ich mich erst wieder an das Arbeitsleben langsam gewöhnen, da ich 1 Jahr nur im Lazarett und Hospital verbracht habe. Die Kräfte kamen langsam wieder. Von den Kameraden wurde ich tatkräftig unterstützt. Zu leichten Arbeiten wurde ich eingeteilt. April/Mai wurde ich dem Arbeitskommando Flugzeugfabrik zugeteilt. Die meisten dieser Brigade waren Schlosser und brachten täglich ein Stück V-Blech mit – versteckt zwischen den Beinen in den wattierten Stepphosen. Aus diesem Blech wurden Essbestecke und Kämme hergestellt, ebenso aus dem Plexiglas wunderbare Kreuze angefertigt. Die Posten und die Bevölkerung in Tiflis waren auf diese Sachen sehr scharf! Für die Rubel wurde Brot, Milch und Obst gekauft. Das Herausschaffen aus der Fabrik wurde abwechselnd getätigt. Eines Tages musste ich ein Stück V-Blech zusammengerollt herausschaffen. Bei der Kontrolle wurde es entdeckt, ein Kolbenschlag und ich lag am Boden. Danach wurde ich abgeführt. Eine Ahnung hatte ich schon, dieses geht schief. Aber ich konnte auch nicht kneifen. Nun wurde ich zum Gericht gezogen, eine strenge Verwarnung und Versetzung in ein anderes Kommando. Jetzt wurde ich einem russischen Zimmermeister unterstellt. Es wurden am Stadtrand Holzhäuser gebaut. Das Holz kam frisch geschnitten vom Sägewerk. Wir mussten es mit einem Beil besäumen. Danach wurden die Bretter voreinander gelegt, verkeilt und festgenagelt. Da das Holz noch frisch war und 40 ° C. waren, konnte man nach einer Woche durch die Fugen Abfall oder Werkzeug verschwinden lassen. Der Meister lobte diese Methode – überhaupt das System, da habe ich nicht den Mund gehalten. Von der Arbeit in Deutschland und besonders vom Essen erzählt, dass wäre eine Lüge. Ich behauptete weiter meine Meinung, da kam der Meister mit der Axt auf mich zu. Der Posten hat sich eingeschaltet, ab dem nächsten Tag durfte ich die Baustelle nicht mehr betreten. Nun wurde ich mit einigen Kameraden in das Lager Deduwe 7230/3 verlegt (Juni). Von dort ging es auf verschiedene Baustellen – auch in die Berge zum Steinesammeln für die Straßenbahn. Hierbei entdeckten wir große Schildkröten. Die Eier wurden zur Küche mitgenommen. Im Juli 1946 für wieder ein Krankentransport nach Deutschland. Ärztlicher Befund – schwere Dystrophie, Malaria, Lungenstecksplitter und Herzbeschwerden, Einkleidung zum Bahnhof, wiederholtes Vorlesen und Abzählen. Nun war ich nicht mehr dabei, die G.P.U. hatte die Worte vom Hospital Tiflis wahr gemacht. „Mit Ihnen haben wir noch viel vor.“ Mit noch einigen Kameraden wurden wir zurück gebracht. Im Lager in der Abgeschiedenheit mussten wir diesen Schmerz verwinden.

In dieser Zeit durften wir das erste Mal 25 Zeilen schreiben. Wir konnten kaum noch schreiben, aber es war eine große Freude. Von jetzt an durften wir alle 4 Wochen schreiben. Die Rückantwort dauerte oft 4 bis 12 Wochen. Eines Tages meldete sich ein Landsmann aus der Hildesheimer Gegend, Willi Wehrmacker aus Detfurth Wir verstanden uns gleich. Willi konnte auch gut russisch und war während der Arbeit in Tiflis unterwegs, gebasteltes Handwerkszeug, Kreuze und Kämme zu verschachern. Die Posten-Wachmannschaften bekamen einen Teil von den gesammelten Lebensmitteln ab und drückten so ein Auge zu. Während ich im Parlament Tiflis als Einschaler gearbeitet habe, haben wir die Nägel aus der Verschalung gezogen, wieder gerichtet und noch einmal verwendet. Die neuen Nägel haben wir mit der Bevölkerung getauscht. Solche Sachen bekamen die Russen nicht. Ebenso war es mit Seife, Tabak und Zucker. Besonders erfreut waren sie, wenn Landser ihnen von den Päckchen aus der Heimat Puddingpulver schenkten, von dem Wackelpudding waren sie restlos begeistert. So vergingen die Tage mit Zählappell – stundenlang. Dann ging es alle vier Wochen zur Badeanstalt – zum Entlausen. Es ist oft passiert, dass am Ende die Sachen fort oder verbrannt waren. Man bekam dann irgendwelche Sachen, die noch aufgetrieben werden konnten. Aber mit welchen Fehlern und Zustand!

Weihnachten 1946 rückte immer näher. Die Post kam ab und zu und wir waren voller Hoffnung. Zum ersten Mal in der Gefangenschaft wurde in Deduwe 7236/3 ein großer Tannenbaum mit Beleuchtung aufgestellt. Dieses war ein großes Geschenk. Das Essen war besser und wir durften Weihnachtslieder singen. Manche Träne ist an diesem Heiligen Abend geflossen. Eines kann ich nicht vergessen, ein guter Kamerad bekam die Post, gleichzeitig wurde von der Frau mitgeteilt: Du brauchst nicht mehr kommen, ich haben einen anderen, so lange kann ich nicht mehr warten. Es war traurig, wir konnten dieses nicht verstehen, doch leider kamen mehr solcher Karten. Zum Jahresschluss wurde uns mitgeteilt, dass wir mit 30 Mann zur Sofjose (Staatsgut) Luxenburg versetzt werden. Dieses Weingut war südlich von Tiflis in einer schönen Gegend zur Türkei. Die Grenze war nicht weit entfernt, doch für uns unerreichbar. Einige Kameraden haben einen Fluchtversuch unternommen. Sie sind erschossen oder halbtot geprügelt worden und dann in ein Straflager gekommen. Der Berg Ararat wo die „Arche Noah“ angeblich gestanden hat, grüßte der Freiheit! Wir warteten, was wird uns das neue Jahr bringen? Nur nicht unterkriegen lassen.

Pfingsten 1946 bin ich beim Zählappell wieder einmal, da es Stunden dauerte, zusammen gebrochen. Ich war bewusstlos und wurde in das Krankenrevier getragen. Dort bemühten sich Schwester Maria, Dr. Manneke und Dr. Meister. Es war eine starke Fischvergiftung, der Fisch war schon schlecht, bei der Hitze von 35°-40° C. Ich bekam jede Menge Milch zu trinken. Danach musste ich erbrechen und es wurde langsam besser. Dr. Mannecke kam von der Uni Marburg, wohnte in Unterluß/Heide! Dr. Meister in Trettnang am Bodensee. Sie haben sich besonders um mich bemüht. Schwester Maria war der Stern vom Lager. Jeder Landser war froh, von ihr einmal gepflegt zu werden. Nach 14 Tagen wurde ich aus dem Revier entlassen und bin wieder zur Arbeit marschiert!